Herr Röhl, Sie haben selbst Typ-1-Diabetes. Wie sind Sie auf die Idee zu der App meala gekommen?
Die App ist entstanden, weil ich selbst häufig in ein Restaurant gehe, sei es jetzt eine Pizzeria, ein vietnamesisches oder ein indisches Restaurant. Jedes Mal dachte ich, Mensch, ich war doch letzten Monat schon einmal hier. Warum fange ich denn jetzt wieder an, die Kohlenhydrate der Mahlzeit zu schätzen? Die Portionsgrößen sind doch irgendwie immer gleich, es ist alles standardisiert. Ich hatte dann die Idee, diese Informationen zusammenzuführen.
Wie benutze ich meala, wenn ich zum Beispiel eine Pizzeria betrete?
Durch GPS-Ortung wird das Restaurant, in dem man sich befindet, automatisch vorgeschlagen. Wenn schon ein anderer User das Gericht gegessen hat, das man selbst essen will, kann man es auswählen und bekommt Nährwert-Informationen dazu angezeigt. Wenn es noch nicht vorhanden ist, legt man ein neues Gericht an und macht ein Foto, das war es dann. Alle zugehörigen Informationen holt sich die App automatisch.
Das heißt, aufgrund des Fotos erkennt die Bilderkennung der App die Lebensmittel?
Genau. Das funktioniert über eine riesige Datenbank. Das heißt, es gibt schon ganz viele Fotos, die getagged, also beschriftet worden sind. Diese Bilder werden dann miteinander verglichen. Und wenn sie Ähnlichkeiten aufweisen, weiß der Algorithmus eben, ah ja, das hier scheint eine Pizza mit Spinat zu sein. Das wird automatisch gespeichert, so dass man das Gericht dann auch wiederfinden kann.
Und was muss man dann tun?
In einem weiteren Schritt muss ich für mich schätzen, wie viele Kohlenhydrate das Essen hat. Den Wert gebe ich in eine andere App oder in meine Pumpe ein. Nach etwa drei Stunden ist der größte Teil an Insulin und Kohlenhydraten verbraucht oder verdaut. Dann kann ich schauen, ob ich richtig geschätzt habe. Das heißt, ich bekomme eine Notification mit der Information, super, du bist wieder im Zielbereich gelandet, und habe dann ein kleines Erfolgserlebnis. Diese Daten werden gespeichert als Gericht, das ich gut geschätzt habe. Gleichzeitig wird aber auch der Spritz-Ess-Abstand angezeigt, so dass ich beim nächsten Mal weiß: Okay, der Anstieg der Kurve am Anfang kommt vielleicht daher, dass ich zu spät gespritzt habe. Oder ich war kurz in einer Unterzuckerung, dann weiß ich, ich habe zu früh gespritzt. Das sind Informationen, die es so bisher in keiner App gibt.
Richtig interessant wird es aber erst, wenn viele User die App nutzen, oder?
Genau. Ich selbst habe mit der App natürlich ein intelligentes Tagebuch, das mir hilft, wenn ich noch ein zweites Mal in dieses Restaurant gehe. Ich helfe damit aber auch anderen. Der weitere Nutzen ist, dass jemand in diese Pizzeria geht und sagt, Mensch, ich habe die gleiche Pizza, die der Kevin gegessen hat. Der hat sich irgendwie dreimal verschätzt, aber das vierte Mal lag er richtig. Das heißt, da sind schon mal vier Werte, an denen ich mich orientieren kann.
Das ist ein nutzerbasiertes System, user generated Content auf Englisch. Je mehr Leute die App nutzen, desto mehr Daten werden angelegt. Und wenn wir irgendwann einmal alle Gerichte in jedem Restaurant durchhaben, dann braucht niemand mehr sein eigenes Tagebuch zu schreiben, sondern man nutzt sozusagen das Tagebuch, das von allen Usern geschrieben worden ist.
Kann ich die Daten auch für den Arztbesuch nutzen?
Ja, das ist eine Funktion, die in Absprache mit Diabetologen entstanden ist, die Werte von Patienten analysieren und dann zum Beispiel feststellen, hier, letzten Monat, da war ein ganz merkwürdiges Ereignis. Dann kann man in der App das Datum anwählen, springt genau an die Stelle und kann dann diese Kurven und die Mahlzeit besser vergleichen. Es gibt auch eine Report-Funktion, der man sagt: Gib mir doch bitte alle Mahlzeiten mit Kartoffeln oder alle Mahlzeiten, bei denen ich Pizza gegessen habe. So kann man schauen, ob man vielleicht immer wieder den gleichen Fehler macht.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Röhl!
Telefoninterview in Vorbereitung für den bytes4diabetes Award mit Kevin Röhl am 13.12.2019