Dass Kohlenhydrate den Insulinspiegel in die Höhe treiben, ist nahezu jedem bekannt. Aber dass Fisch, Eier oder Rindfleisch ähnlich viel Insulin im Körper ausschütten lassen wie Nudeln, Reis oder Kartoffelchips ist vermutlich für einige Leser neu.
Kohlenhydrate benötigen Insulin …
Insbesondere Diabetiker berechnen oder schätzen die Kohlenhydrate in Mahlzeiten. Hierfür eignen sich die Nährwerttabellen auf den Verpackungen von Lebensmitteln, aus entsprechenden Büchern oder aus dem Netz. Ebenso existieren mittlerweile diverse Apps, die hier unterstützen. So zum Beispiel unsere App meala.
Die Theorie dahinter ist simpel: Kohlenhydrate lassen den Blutzucker einsteigen. Hierfür muss also das Blutzucker-senkende Insulin zugeführt werden.
Erfahrene Diabetiker wissen, dass es nicht ganz so einfach ist. Je nach Insulinpräparat müssen auch Abstände zwischen Mahlzeitenaufnahme und Insulinzufuhr eingehalten werden, weil der Blutzucker sonst in die Höhe schießen kann. Hier sprechen wir vom Spritz-Ess-Abstand.
Der Spritz-Ess-Abstand orientiert sich am sogenannten glykämischen Index eines Lebensmittels oder an der glykämischen Last einer Mahlzeit. Vereinfacht kann man sagen, dass kurzkettige Kohlenhydrate bzw. Zucker schneller ins Blut eintreten und dadurch schneller vom Insulin abgefangen werden müssen, um eine starke Hyperglykämie (= stark erhöhter Blutzucker) zu vermeiden.
… aber auch Fette und Eiweiße benötigen Insulin!
Doch viele Diabetiker merken im Laufe ihrer Diabetes-Karriere, dass der Blutzucker auch noch mehrere Stunden nach der Mahlzeit nach oben steigen kann. Diese Schwankungen können zum Teil mit einer verlängerten Verdauungszeit erklärt werden. Doch viel wichtiger sind die sogenannten Fett-Protein-Einheiten.
Der Körper kann aus Fetten und Proteinen (= Eiweißen) ebenfalls Zucker gewinnen. Über die sogenannte Glukoneogenese können aus den Einzelbestandteilen (Aminosäuren und Glycerin) Stoffe gebildet werden, die zu Glukose umgewandelt werden. Dadurch steigt der Blutzucker bei jedem Menschen, ganz gleich ob Diabetiker oder nicht, auch nach einer kohlenhydratfreien Mahlzeit an.
Mit anderen Worten: Der Insulin-Index beschreibt das ausgeschüttete Insulin für alle Makronährstoffe, nämlich Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette. Genauer gesagt handelt es sich um die Insulinreaktion auf jeweils 239 kcal (= 1000 kJ) eines Lebensmittels.
Fette und Eiweiße: für Gesunde top, für Diabetiker anstrengend!
Gerade beim Gesunden sind Eiweiße und Fette sehr vorteilhaft, wenn man niedrige Blutzuckerspiegel wahren möchte. Denn während das Insulin bei eiweißreichen Lebensmitteln wie Linsen, Bohnen, Käse, Eiern, Fisch oder Rindfleisch durchaus beachtlich ansteigt, steigt der Blutzucker nur marginal. Anders verhält es sich bei Haferflocken, Cornflakes, Brot, Reis, Nudeln sowie diversen Süßigkeiten mit hohem Zuckergehalt.
Allerdings ist es für Diabetiker gar nicht so einfach. Es gibt wenige Publikationen zu Fett-Protein-Einheiten und wie man sich am besten berechnen kann. Denn auch bei Proteinen gibt es beispielhaft Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstrukturen. Dies wirkt sich ähnlich auf die Verdauung aus als würde man von kurz- oder langkettigen Kohlenhydraten sprechen. Deshalb ist ein „Abpuffern“ eines durch Fett-Protein-Einheiten verursachten Blutzuckeranstiegs bis heute für viele Diabetiker ein Mysterium.
Quellen
- Holt, S. H., Miller, J. C., & Petocz, P. (1997). An insulin index of foods: the insulin demand generated by 1000-kJ portions of common foods. The American journal of clinical nutrition, 66(5), 1264–1276. https://doi.org/10.1093/ajcn/66.5.1264